Nacht der glühenden Augen

ein Gruselmärchen für Kinder ab 7 Jahren

Eine spannende Kurzgeschichte für Mädchen und Jungs - Gänsehaut garantiert - schauerlich und gruselig - mit Öko-Botschaft!
Mond und Wolken am Nachthimmel
Bild von Pexels auf Pixabay

Wäre Linus doch nur ins Bett und nicht in den Garten gegangen!

Linus ist ein furchtloser Entdecker, der den Dingen auf den Grund geht. Daher will er unbedingt herausfinden, warum auf einem Fleckchen Erde im Garten hinter ihrem Haus einfach nichts wachsen will. Er vermutet den Teufel hinter dem Geheimnis, denn der schickt nachts seine Armee der glühenden Augen dorthin. Also schleicht sich Linus hinaus und lauert dem Belzebub auf. Doch dann passiert etwas Ungeheuerliches.
Lesezeit: 6 Minuten

Gruselmärchen: Nacht der glühenden Augen

Noch zeigten sie sich nicht. Die letzten Sonnenstrahlen tanzten auf den Blättern im Garten hinter dem alten Bauernhaus. In den Beeten reiften die Möhren, die Kartoffeln, der Porree und die Kohlrabi, die Linus Vater im Frühjahr gepflanzt hatte. Inmitten des Blättermeers aber tat sich eine kahle Stelle auf – so groß wie ein Grab. Dort wuchs nichts, nicht einmal Unkraut. Selbst wenn es regnete, blieb die Erde knochentrocken.
Linus hatte das Fleckchen Teufelskissen genannt. Er stellte sich vor, dass der Teufel, als er noch sehr jung war, hier einen seiner Backenzähne vergraben hatte. Sie hatten den Boden geharkt, gedüngt und gegossen, doch es half nichts. Das Teufelskissen wollte einfach keine Früchte tragen.
Linus kauerte sich vor dem Schuppen unter eine schwarze Decke und ließ die tote Erde nicht aus den Augen. Einmal wollte sein Vater herausfinden, warum dort nichts wuchs, und so grub er ein Loch. Jedes Mal, wenn er mit dem Spaten zustach, wimmerte der Acker unter seinen Füßen wie ein Welpe, dem man auf den Schwanz tritt. Entdeckt hatte der Vater aber nichts. Am anderen Morgen fanden sie das Loch wieder geschlossen, als hätten sie niemals dort gebuddelt. Nur ein einziges Mal, seitdem sie in dem Bauernhaus wohnten, war etwas auf dem Teufelskissen gewachsen. Eines schönen Herbstmorgens ragte ein stattlicher Steinpilz keck aus der Erde heraus. Es war der Morgen, nachdem sein großer Bruder Fabian verschwunden war.

Die mächtigen Buchen am Waldrand warfen bereits ihre langen Schatten über die Beete. Nicht mehr lang und es würde beginnen. Viele Nächte schon hatte Linus hier draußen verbracht, ohne dass etwas passiert war. Schließlich fand er heraus, dass die Hölle nur bei Neumond ihre Pforten öffnete. Wenn der Mond am Himmel nicht zu sehen war und die Nacht nicht schwärzer werden konnte, erwachte das Grauen in ihrem Garten.
Unaufhaltsam kroch die Dämmerung zwischen die Bäume, Sträucher und Stauden. Die Wildschweine polterten grunzend durchs Unterholz nicht weit vor dem Gartenzaun. Sie bereiteten den Geschöpfen der Finsternis den Weg. Als auch der letzte Sonnenstrahl hinter dem Horizont versickert war, übernahmen die Herrscher der Dunkelheit die Macht.
Aus der Tiefe des Waldes drang das Huu-hu-huhuhuhuu des Waldkauzes bis unter Linus Gänsehaut. Eine Fledermaus schlug hektisch ihre ledernen Flügel, als sie über seinen Kopf hinweg flatterte. Trockene Zweige knackten unter den Tatzen eines Dachses, der den Boden nach Schnecken, Mäusen und Früchten absuchte.
Anfangs jagten Linus die Geräusche der Nacht noch Furcht ein, doch mit der Zeit verloren sie ihren Schrecken. Heute lauschte er gebannt der Melodie der Düsternis, bis die schwarzen Bestien kommen würden. Auch sie kannte Linus schon und trotzdem erschauderte er immer noch, sobald sie auftauchten. Die ersten Male war er verängstigt ins Haus gelaufen. Doch als er mit seinem Vater zurückkam, waren die schauerlichen Wesen verschwunden. War er aber wieder allein, starrten sie ihn aus feuerroten Augen an.

Wusch! Da glitt das erste Wesen über ihn hinweg. Linus spürte den Luftzug durch die schwarze Decke hindurch. Wusch! Noch eines. Wusch! Und das nächste. Rote Augen brannten Löcher in die Dunkelheit und scharfe Flügel schnitten durch die Stille. Sie kreisten über dem Garten, dann landeten sie auf den Zaunpfählen und stimmten ihr entsetzliches Konzert an. Sie krächzten bös, so als wollten sie jede Freude aus der Welt vertreiben. Linus presste die Hände auf die Ohren, doch ihr Schimpfen drang hindurch und jagte ihm Angst ein. Nichts sah man von diesen abscheulichen Kreaturen, nichts außer den glühenden Augen, die ihr böses Feuer in die Nacht schossen.
Plötzlich, dort wo das Teufelskissen war, kochte das Beet und feiner, weißer Rauch kräuselte sich in den schwarzen Himmel. Der Boden unter den trockenen Erdkrümeln glimmte, als würde sich eine Armee von Glühwürmchen hindurch graben. Vorsichtig krabbelte Linus unter seiner Decke hervor. Er behielt die grausigen Boten des Schreckens im Blick, damit sie ihn mit ihrem Höllenfeuer nicht verbrannten. Stück für Stück kroch er bis an den Rand des Teufelskissens vor. Noch zögerte er, doch dann streckte er behutsam die Hand aus. Die Erde war flaumig und warm wie ein Bett aus Watte. Das weiche Licht streichelte seine Haut wie eine Feder. Linus streckte sich auf dem Rücken aus und das laute Krächzen der Kreaturen verstummte. Das Licht hüllte ihn wie ein samtener Mantel ein. Er schloss die Augen.

veröffentlicht: 14.09. 2022, überarbeitet: 18.01. 2025

Für meine Leser im Leserbereich

Bewertungen meiner Leser

Unbedingt bis zum Schluss lesen!

5 Sterne von Sonnenschein

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Man kann sich das Ganze bildlich vorstellen. Einfach toll ... mit einer großen Überraschung am Ende!

spannendes Öko-Märchen

5 Sterne von Nordlicht

Profilbild von NordlichtNordlicht

Als überzeugte Vegetarierin war ich vom Ende erschüttert. 😉

Spannung ohne Monster

5 Sterne von Mareike F.

Profilbild von Mareike F.Mareike F.

Ich habe die Story meinem Enkel (10 Jahre) vorgelesen. Er hatte damit gerechnet, dass Teufel oder Monster aus der Erde kriechen, und er war völlig vom Ende überrascht.

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